Lucinda Riley: Die Sonnenschwester
Ich muss zugeben, dass mir ‚Die Sonnenschwester‘ zu Beginn
gar nicht gefallen hat. Erstens weil ich etwas anderes erwartet hatte. Und
zweitens weil die sechste Schwester Elektra arrogant war, eigentlich toujours
gejammert und sich selbst ziemlich bemitleidet hat. Natürlich ist die Figur von
Lucinda Riley genauso geschaffen worden. Und natürlich hatte sie dadurch viel Entwicklungspotential.
Aber ich fand sie trotzdem nur nervig.
Auch kamen die Erzählungen aus der Vergangenheit für mich viel zu kurz. Denn
genau das liebe ich so an Rileys Romanen: die Reisen in die Vergangenheit,
fremde Länder, fremde Kulturen. Stattdessen war Elektras Leben ihn New York viele
Seiten lang das Hauptthema, ihr Alltag als Model und ihre Probleme. Ich habe
also anfangs nur weitergelesen, damit ich es halt lese. Und Gott sei Dank habe
ich nicht aufgehört.
Wie bereits erwähnt ist dieser sechste Teil der Reihe um die
sieben Schwestern anders als ich es erwartet hatte. Auch wenn die Geschichten
aus der Vergangenheit im zweiten Teil des Buches intensiver und länger erzählt
wurden, war das Buch an sich nicht so locker-leicht wie die anderen Bücher.
Zwar haben sich diese auch einige Problemen angeschnitten. Doch hatte ich es
bisher noch nicht erlebt, dass sich Riley derart intensiv mit solch ernsten Themen
beschäftig. Und genau das war es, was ich nicht erwartet hatte. Diese Tiefe. Das
mag jetzt negativ klingen, ist es aber mitnichten.
Und als ich mich darauf eingelassen hatte, das ich keinen unterhaltsamen
Frauenroman mit, naja, sagen wir mal,
niedrigerem Anspruch und ohne viel Tiefe bekommen habe, habe ich realisiert,
was für ein tolles Buch Lucinda Riley hier eigentlich geschrieben hat. Ok, das
klingt jetzt wieder so negativ und als ob Riley Romane anspruchslos wären. Das
sind sie natürlich nicht, ich liebe fast jedes einzelne ihrer Bücher. Doch ‚Die
Sonnenschwester‘ ist einfach anders. Riley setzt sich mit Suchtproblemen
auseinander, mit den Schwierigkeiten, die man als Suchtkranker hat, mit dem
Horror eines Entzugs und der harten Erkenntnis, dass man Hilfe braucht.
Natürlich geht dieses Auseinandersetzen nicht so tief, wie es möglich wäre.
Aber das braucht es ja auch nicht. Ich finde es super, dass Riley als
weltbekannte Bestsellerautorin solche Themen aufgreift und darauf aufmerksam
macht. Doch nicht nur das, sie nimmt die ostafrikanische Heimat Elektras als Anlass,
um von den Rassenproblemen der 50er Jahre in den USA zu schreiben, von der
Intoleranz und Ungerechtigkeit die geherrscht hat – und leider teilweise immer
noch herrscht. Sie schreibt von Menschen, die auf die Straße gehen und
demonstrieren, die aufstehen um für ihre Freiheit zu kämpfen. Und das alles
verpackt in einem Frauenroman, der von außen gar nicht so wirken würde. 4
Sterne.