Marie Graßhoff: Beta Hearts
(Werbung – Rezensionsexemplar)
Mit ‚Beta Hearts‘ endet eine Trilogie, die den Science Fiction ein bißchen salonfähiger gemacht hat. Mir gefiel sie sehr, auch wenn ich sie nicht so überragend fand wie viele andere. Eine bis ins Detail durchdachte Reihe, die jedoch ihre Längen hatte und mich nicht so mitreißen konnte – ohne festmachen zu können, woran das genau lag. Nichtsdestotrotz würde ich diese Reihe empfehlen. Denn sie ist unterhaltsam, lehrreich und vor allem der Finalband konnte mich mit seiner Ruhe und den Charakterentwicklungen darin überzeugen.
Marie Graßhoffs Schreibstil liebe ich seit ‚Kernstaub‘: So philosophisch und so unglaublich bildhaft. Bei ‚Beta Hearts‘ und auch den Vorgängerbänden vermisse ich diesen ziemlich. Klar ist er immer noch super leicht zu lesen und sehr eingängig, doch auch sehr schörkellos. Aber ich muss zugeben, auch wenn ich den Stil in ‚Kernstaub‘ liebe, hätte dieser hier einfach nicht gepasst.
Was ich besonders herausheben möchte, ist die tolle Welt in der die Trilogie spielt. Sie hätte für meinen Geschmack gerne noch mehr einfließen dürfen, so sehr hat sie mich angesprochen. Marie Graßhoffs Science-Fiction-Welt ist nachhaltig, baut auf die Gemeinschaft der Menschen und auf die Freiheit und Offenheit des Einzelnen gegenüber jedweder Diskriminierung, sei es der Sexualität, der Religion oder der Hautfarbe. Dieses sogenannte ‚Solarpunk‘-Genre finde ich unglaublich interessant und darum hoffe ich, dass es irgendwann mehr Bücher geben wird, die eine freundliche Zukunft zeichnen (für mehr Infos speziell auch zu Marie Graßhoffs Welt verweise ich auf ihren Blogbeitrag hier).
Daneben liegt der Fokus der Bücher auf den Figuren und ihren Dialogen, ihren Gefühlen und Ansichten, auf ihrer Entwicklung. Und zumindest in den ersten beiden Bänden auf dem Kampf gegen KAMI.
‚Beta Hearts‘ verschiebt den Fokus gegenüber den Vorgängerbänden weiter auf das Zwischenmenschliche. Waren die ersten beiden Bände von Krieg, Kämpfen, Blut und Tod geprägt, ist dieser letzte Teil ruhiger und die Charakterentwicklungen immens. In positiver wie in negativer Hinsicht. Ich konnte in den ersten beiden Bänden eigentlich zu keiner Figur eine richtige Verbindung aufbauen. Das hat sich jetzt geändert. So gefiel vor allem Andras Entwicklung, die im letzten Band zu einer Schlüsselperson im Kampf gegen KAMI wird. Sie ist das beste Beispiel dafür, wie oft eine neue Sicht von außen gegen Betriebsblindheit helfen kann. Mit der Hilfe von Verbündeten steht sie einer Übermacht gegenüber, lässt sich aber nicht von ihren Zielen abbringen. Eine Reise zurück in ihre Vergangenheit, lässt sie alles infrage stellen, was sie weiß. Und trotzdem ist sie so viel klüger als viele andere. Sie hat sich in mein Herz geschlichen mit ihrem Mut, ihrer Stärke und ihrer Zielstrebigkeit.
Flover ist auch sehr herausgestochen, wenn auch seine Emotionen nicht so intensiv beschrieben wurden wie Andras. Er, der immer so viel auf die Meinung seiner Mutter gegeben hat und ihre Anerkennung wollte, kann sich nun auf eine neue Person fokussieren. Ich finde die Vorstellung der beiden so schön, auch wenn sie nur minimal angedeutet wird.
Okijens Entwicklung hingegen gefiel mir nicht, auch wenn sie sehr zu ihm passt. Ich mochte ihn eigentlich immer recht gerne, vor allem, da er Andra aufgenommen und ihr geholfen hat, sich in der für sie fremden Welt zurechtzufinden. Doch in diesem letzten Teil kommt durch, dass er einfach ein Soldat ist, der stur auf seine Vorgesetzen hört. Egal, ob deren Entscheidungen gut sind oder nicht. Ohne zu hinterfragen, ob der eingeschlagene Weg wirklich der einzige ist oder ob es Alternativen gibt.
Marshall mochte ich irgendwie noch nie und das hat sich in diesem Band nicht geändert. Im Gegenteil, denn es kommen Dinge ans Licht, die sie unglaublich diskreditieren: Über ihre Vergangenheit, ihre Motivation und ihre Ziele.
KAMI selbst ist für mich fast der tiefgründigste Charakter. Aufgrund ihrer Wissbegierigkeit und ihrer objektiven, gefühlsfreien Sicht stellt sie gesellschaftskritische und moralische Fragen, die auch mich zum Nachdenken anregen. Was ist richtig, was ist falsch? Gibt es andere Wege oder nur diesen einen?
Trotz einiger Längen gefällt mir der Finalband am besten von allen drei Bänden. Vor allem, da ich das Ende sehr gerne mag. Es schließt zufrieden ab, lässt aber doch noch Platz für eigene Spekulationen. Und ‚Beta Hearts‘ hat mich zudem so einiges gelehrt. Erstens, dass gut gemeint nicht automatisch gut gemacht ist. Zweitens, dass manchmal der unkonventionelle Weg der richtige ist. Drittens, ein langsamer und friedlicher Wandel ist oft besser als ein schneller, gewalttätiger. Denn dieser Frieden kann trügen und kostet zu viel. Viertens, dass es gar nicht immer so einfach ist zu sagen, wer gut und wer böse ist. 4 Sterne.
Klappentext zum Reihenauftakt ‚Neon Birds‘
Es ist das Jahr 2101. Ein außer Kontrolle geratener technischer Virus verwandelt Menschen in hyperfunktionale Cyborgs, die dem Willen der künstlichen Intelligenz KAMI gehorchen. In Sperrzonen eingepfercht, werden sie von Supersoldaten bekämpft, die man weltweit als Stars feiert. Doch die Mauern beginnen zu bröckeln. Sekten beten KAMI als Maschinengott an. Und während der Kampf zwischen Menschheit und Technologie hin und her wogt, versuchen vier junge Erwachsene, den Untergang ihrer Zivilisation zu verhindern …
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Bibliographie
Lübbe
Band 3 von 3 der Reihe ‚Neon Birds‘
ET: 30.09.2020
Paperback 15,00 €, eBook 9,99 €
511 Seiten
Ab 16 Jahren
ISBN: 978-3-404-20968-2
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