Rezensionen

Max Gladstone: Drei Viertel Tot

‚Drei Viertel Tot‘ von Max Gladstone, übersetzt von Helga Parmiter, ist eines dieser unauffälligen Bücher, die vielleicht auf Grund eines Covers, das nicht ganz so heraussticht, eher mal links liegen gelassen werden. Ich weiß nicht, ob ich es mir geholt hätte, wenn ich nicht so neugierig auf das erste Fantasyprogramm von Panini gewesen wäre. Denn auch wenn der Klappentext mega klingt, ist das Cover doch das, was als erstes ins Auge springt. Was bin ich froh, diese überragende Geschichte entdeckt zu haben. Sie ist fremdartig, man muss sich auf sie einlassen und aufmerksam lesen. Aber man wird dafür ziemlich belohnt.

Allein das Setting! Eine fiktive Stadt, die mich ein bisschen an Gotham und auch an Locke Lamoras Camorr erinnert hat, mit vielen Steampunk-Elementen, Göttern und Magie, pardon: Kunst. Dazu ein Mordfall, einige Steinmänner, ein kettenrauchender Priester und ein toter Gott. Fertig ist eine Geschichte, die mich einfach nur begeistert hat. Trotz oder gerade wegen ihrer Komplexität. Auf den ersten Seiten konnte ich die Welt und die Magie nicht mal ansatzweise greifen, so detailliert beschreibt Max Gladstone die Stadt Alt Coulomb und das von ihm geschaffene Magiesystem. Selbst jetzt, nach Beendigung des ersten Teils der bisher sechs Bände umfassenden Reihe, kann ich noch gar nicht alles fassen. Das stört mich eigentlich oft, doch hier ist es in seiner Nicht-Greifbarkeit irgendwie perfekt. So als ob Alt Coulomb einfach noch ein paar seiner Geheimnisse behalten hätte – um sie dann hoffentlich in den Folgebänden zu offenbaren.

Dazu dann noch die Charaktere, einer interessanter als der andere. Man lernt sie nicht sehr umfassend kennen, einzig Protagonistin Tara offenbart ein bisschen mehr von sich. Doch mir noch zu wenig. Gerne würde ich mehr über ihre Zeit in den Verborgenen Schulen erfahren, über ihre Kunst und ihre Vergangenheit. Denn genauso wie das Magiesystem und die Welt erschließt sich den Lesenden alles erst nach und nach. Es wird wenig erklärt und nur häppchenweise serviert, zu dem Zeitpunkt, zu dem es relevant ist. Super gemacht, aber etwas mühsam für die Lesenden.

Nichtsdestotrotz empfehle ich diesen Reihenauftakt allen, die gerne komplexe Fantasygeschichten lesen, die anders sind als gewohnt, die aber nicht minder begeistern, wenn man sich darauf eingelassen hat und akzeptiert, dass es noch vieles zu entdecken gibt. 4,5 Sterne.

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Ein Gott ist gestorben, und nun muss Tara, frisch- gebackene Mitarbeiterin der Kunstwirkerfirma Kelethres, Albrecht und Ao, ihn wieder zum Leben erwecken, bevor seine Stadt untergeht. Ihr Klient ist kein geringerer als Kos persönlich, der kürzlich verstorbene Feuergott der Stadt Alt Coulumb. Ohne ihn werden die Dampfgeneratoren der Metropole ausfallen, die Züge nicht mehr fahren und die vier Millionen Bürger werden randalieren.

Taras muss Kos wieder auferstehen lassen, bevor das Chaos ausbricht. Ihre einzige Hilfe ist Abelard, ein kettenrauchender Priester des toten Gottes, der allerdings derzeit eine nachvollziehbare Glaubenskrise hat. Als Tara und Abelard entdecken, dass Kos ermordet wurde, begeben sie sich auf eine brandgefährliche Suche nach der Wahrheit, die alles und jeden in tödliche Gefahr bringt.

Panini
Band 1 von 6 der Reihe ‚Die Kunstwirker-Chronik‘
Originaltitel: Three Parts Dead
Autor*in: Max Gladstone
Übersetzt von Helga Parmiter
ET: 07.12.2021
Seiten: 432
ISBN: 9783833241000

Einen Bestellmöglichkeit gibt’s hier

3 Kommentare

  • Nico aus dem Buchwinkel

    Hey Steffi,

    von Max Gladstone habe ich „This Is How You Lose the Time War“ gelesen, geschrieben mit Amal El-Mohtar. Ich war begeistert von der poetischen Sprache, von den extrem präzise gesetzten Wörtern, von der Vielschichtigkeit der Geschichte. Wie ist das bei „Drei Viertel Tot“? Ging es dir beim Lesen ähnlich? Vielleicht ist es anders geschrieben, es wurde ja „schon“ 2012 veröffentlicht und ich kann mir auch vorstellen, dass bei der Übersetzung sprachlich so manches verloren gehen kann.

    Liebe Grüße,
    Nico

    • Steffi

      Hallo Nico!

      Ich persönlich fand es super übersetzt und sehr anspruchsvoll von der Sprache her. Ich habe es unglaublich gerne gelesen und hab mich sehr wohl gefühlt. Als poetisch hätte ich es aber nicht bezeichnet. Auf alle Fälle würde ich es dir empfehlen, es hat mich wirklich so positiv überrascht. Ich habe einfach nicht mit so etwas gerechnet, so unscheinbar wie es daherkommt. Im englischsprachigen Raum wird es oft mit ‚City of Stairs‘ von Robert Jackson Bennett verglichen, hast du das gelesen? Ich hab es mir auf alle Fälle besorgt, es ist hier bei uns bei Lübbe erschienen.
      ‚Verlorene der Zeiten‘ erscheint am 01.09.2022 bei Piper auf Deutsch und ich habe es sofort auf die Wunschliste gesetzt, als sich herauskristallisiert hat, was für eine Geschichte Max Gladstone hier geschaffen hat.

      Liebe Grüße
      Steffi

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