
Anne Herzel: Verlorene Städte (Lichter über London 1)
(Werbung – Rezensionsexemplar)
Anne Herzels Dilogieaufakt ‚Verlorene Städte‘ nimmt die Leser*innen mit in den Untergrund Londons und schafft dabei eine Welt voller Gefahren und Schätze, bedrohlicher Wesen und Überraschungen. In weiten Teilen gefiel mir die Geschichte gut, allerdings haben sich nicht nur die Protagonist*innen in den Weiten des Untergrunds verloren.
Katakomben haben wahrscheinlich nicht nur für mich eine gewisse Faszination und Morbidität. Sie dienen als letzte Ruhestätte und sind Zeugen der Vergangenheit, geben Aufschluss über Kultur, Sozialstruktur und Religion unserer Vorfahren. Anne Herzel nimmt sich die Londoner Katakomben als Vorbild und verpasst ihnen eine schier unendliche Größe und mysteriöse Bewohner*innen.
Das Setting hatte mich deshalb vom Fleck weg überzeugt. Mysteriöse und gefährliche Kreaturen, leuchtende Fauna, Wasser, das sich seinen Weg durch das Gestein bahnt.. Ein eigenes Ökosystem unterhalb Londons! Die Atmosphäre war von Beginn an düster und geheimnisvoll, die Kühle des Untergrunds auf jeder Seite spürbar. Leider wurde das im Verlauf der Handlung immer mehr zu einem Infodumping. Je tiefer die Figuren in den Untergrund eingedrungen sind, desto mehr Gefahren lauerten und desto öfter wurde das gleich Schema abgespielt: Neuer Abschnitt, neue bedrohliche Wesen, nächster Abschnitt, noch mehr Wesen und auch Pflanzen. Böse Leute! Es war dadurch für mich sehr eindimensional und führte dazu, dass ich beim Lesen oft abgeschweift bin. Viele Dinge passieren außerdem allein des Plots wegen und um die Handlung voranzutreiben.
Gut gefallen hat mir dagegen die Repräsentation und die Infragestellung des Konzepts der Binarität, das Aufbrechen und Infragestellen klassischer Geschlechterrollen.
Maeve selbst wirkt auf mich etwas naiv und ihr Handeln ist nicht immer nachvollziehbar. Sie ist Studentin des sehr spezifischen Studienfachs ‚Katakombenforschung‘ und seit eines leider nicht sehr tiefgehend beschriebenen Ereignisses der Vergangenheit sehr auf die Katakomben fixiert. Wir folgen ihr also in den Untergrund, da sie dort einen der Splitterkristalle holen möchte, um gegenüber ihren Mitstudent*innen ihre Furchtlosigkeit zu demonstrieren.. Aufgrund der Verkettung einiger unglücklicher Umstände geht sie in den Weiten der unterirdischen Welt verloren und sieht sich vielen Gefahren und interessanten Entdeckungen gegenüber. Schon alleine diese Ausgangssituation und deren Herbeiführung fand ich schwach und nicht überzeugend, trotzdem macht es Spaß, Maeve in die Welt zu folgen, alles zu entdecken und zu bestaunen. Richtig warm geworden bin ich aber wegen ihrer überheblichen Art nicht mit ihr. Blaise als eine Figur, die ihr zur Seite gestellt wird, ist da um einiges interessanter und sympathischer, auch wenn er relativ fremd bleibt. Leider sind die Nebenfiguren meist ebenfalls sehr eindimensional, vor allem die Gegenspielerin sehr klischeehaft und böse. Das hat mich ein bisschen enttäuscht, da die Welt wirklich cool ist, aber Figuren und Plot sie für mich nicht ausfüllen konnten.
Die Figuren und der Plot sind für mich die größten Schwachstellen des Romans, die faszinierende Welt der Katakomben und die Repräsentation machen das aber wieder wett und den Dilogieauftakt auf jeden Fall lesenswert. 3,5 Sterne.
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Der Höllenschlund unter London, genannt die Katakomben: ein in den 90er Jahren entdecktes Höhlensystem jenseits der U-Bahn-Tunnel, das Tausende Meter in die Tiefe reicht. Seinen Grund hat man bis heute nicht gefunden.
Maeve O’Sullivan studiert an der University of Dublin und verfolgt das Ziel, zu einem Mudlark zu werden: einem eingefleischten Tiefenschürfer, der nach Schätzen in den Gewölben sucht. Angestachelt durch eine Wette steigt sie in die Tunnel hinab … verirrt sich jedoch. In dem Versuch, an die Oberfläche zurückzukehren, gelangt sie immer tiefer in dieses Netzwerk verworrener Korridore, bevölkert von grotesken Wesen wie heimtückischen Schlingpflanzen und wandernden Steinen.
Dort begegnet sie dem rätselhaften Blaise. Er rettet sie vor dem sogenannten Wächter, einer Kreatur, die selbst die Mudlarks fürchten. Maeve wird von diesem mit einem Zeichen belegt, das sie zu einem Leben in der Tiefe verdammt – ohne die Möglichkeit, die Katakomben je wieder zu verlassen.
Gemeinsam mit Blaise beginnt sie eine Reise in die Tiefe, mit dem Ziel, am Grund der Unterwelt eine Heilung zu finden.
Erschienen bei Cross Cult
Band 1 von 2
Autor*in: Anne Herzel
ET: 01.04.2025
Seiten: 320
ISBN: 978-3-98666-665-1
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