Rezensionen

Frances Hardinge: Schattengeister

(Werbung – Rezensionsexemplar)

Mit historischer Fantasy bin ich bisher noch nicht oft in Berührung gekommen, umso mehr habe ich mich auf Frances Hardinges ‚Schattengeister‘ gefreut. Nach einer anfänglichen Durststrecke, die mich kurz vor die Entscheidung des Abbruchs gestellt hat, hat sich die Geschichte doch noch gemacht – und wie. Ich habe ein Jugendfantasybuch bekommen, wie ich es so noch nie gelesen habe. Atmosphärisch, außergewöhnlich und definitiv empfehlenswert!

Anfangs fand ich unglaublich schwer ins Buch. Wir folgen als Leser einem jungen Mädchen namens Makepeace. Und das ist glaube ich der ungewöhnlichste Name, den eine Protagonistin je hatte. Aber egal, man gewöhnt sich an alles, selbst an puritanische Namen. Man merkt also schon mit den ersten Seiten, dass wir uns im 17. Jahrhunderts befinden, als der Puritanismus in England Einzug hielt.
 Makepeace wohnt zusammen mit ihrer Mutter in einer kleinen Stadt nahe London, in einer sehr gottesfürchtigen Gemeinde, in der Makepeace noch der harmloseste Name ist. Neben What-God-Will, Forsaken und Kill-Sin. Das war mir auch alles noch verständlich. Doch das Verstehen hat aufgehört, als Makepeace‘ Mutter sie über Nacht in einer Friedhofskapelle einsperrt um ihr ihre Albträume auszutreiben. Und damit sie sich gegen die Toten zur Wehr zu setzt. Und das nicht nur einmal. Im Nachhinein macht wirklich alles Sinn, doch während des Lesens dachte ich mir nur „Hä?“. Generell find ich das Handeln von Makepeace‘ Mutter ziemlich konfus und mir gefällt nicht wirklich, was ich lese. Selbst als sich der Schauplatz ändert und Makepeace zur Familie ihres Vaters, den sie nie kennengelernt hat, zieht, sträube ich mich immer noch gegen die Geschichte. Ich verstehe auch hier einfach nicht, um was es geht. Selten war bin ich so schlecht in ein Buch gestartet und ich weiß wirklich nicht, ob ich nicht abgebrochen hätte, hätte es sich nicht um ein Rezensionsexemplar gehandelt. Da andere Meinungen jedoch nicht von Einstiegsschwierigkeiten schreiben habe ich mich durchgebissen und es einfach mal auf mich zukommen lassen. Ahnungslos, aber voller Hoffnung quasi.

Und siehe da, mit (weitem) Fortschreiten der Handlung eröffnet sich mir immer mehr, was vor sich geht und warum Makepeace‘ Mutter sich so verhalten hat, wie sie es getan hat. Und warum sie Makepeace von der Familie ihres Vaters fernhalten wollte. Und als ich dann soweit war und für mich alles einen Sinn ergab, ich alles richtig einordnen konnte, habe ich das Buch richtig genossen. Denn es ist ein sehr außergewöhnliches Buch.

Denn zum einen finde ich die Idee hinter dem Buch ziemlich toll. Geister von Toten suchen Zuflucht bei den Lebenden. Dabei ist die Interaktion der Geister mit den Besessenen so vielseitig wie es die Menschen selbst sind. Das hat mir gut gefallen und enorm viele Möglichkeiten eröffnet. Denn als Person, die Geister in sich aufnimmt, eignet sie sich deren Wissen an und kann sogar mit ihnen kommunizieren. Somit erreicht der Geist quasi Unsterblichkeit in einem fremden Körper. Und wenn man als Geist einmal davon profitiert hat, möchte man diese „Freiheit“ natürlich mit allen Mitteln verteidigen.

Zum anderen fand ich die Zeit, in der die Geschichte spielt, ungemein interessant. England während der Herrschaft des Stuart-Königs Karl I., der versucht hat, absolut zu regieren und das Parlament aufzulösen. Er sah seine Herrschaft als göttliches Recht an und ein Parlament störte dabei natürlich. Es kam zum Bürgerkrieg und Makepeace fand sich zwischen Königstreuen und Parlamentariern wieder, verlor ihre Mutter, schmuggelte sich durch Feindesgebiet, spielte eine Spionin, traf sogar den König.

Makepeace hat also nicht nur viele Abenteuer erlebt, sondern sich auch toll entwickelt. Anfangs war sie einfach ein kleines Mädchen, doch mit den Herausforderungen, denen sie sich stellen musste, ist sie gewachsen und hat sich zu einer Persönlichkeit entwickelt, die ich sehr mochte: neugierig, loyal, empathisch. Auch mit ihrer übersinnlichen Fähigkeit, Geister aufzunehmen, ging sie fast von Anfang an rational um, auch wenn sie natürlich zuerst versucht hat, gegen ihren ersten Bewohner, Bär, zu kämpfen. So wie ihre Mutter es ihr beigebracht hat. Doch als Bär und sie sich arrangiert hatten, gar Freunde wurden, hat Makepeace aus freiem Willen weitere Geister aufgenommen. Denn um in den von Kriegswirren zerrütteten England gegen eine mächtige Familie anzutreten, muss man jede Hilfe annehmen, die man bekommen kann. Und wieso sollte man den Feind nicht mit seinen eigenen Waffen schlagen?

So hat sich also aus einer wirren Geschichte etwas entfaltet, das ich sehr gerne gelesen habe. So gerne, dass ich die Anlaufschwierigkeiten fast vergessen konnte. Da diese aber an mir und meinem fehlenden Durchblick gelegen haben, möchte ich euch unbedingt ans Herz legen, es trotzdem mit dem Buch zu versuchen. Denn die Idee ist grandios, die historischen Begebenheiten sehr interessant und die Geschichte eigentlich auch.  4 Sterne.

Klappentext

Die Geister von Toten suchen Zuflucht bei Lebenden. Makepeace ist ein Mädchen, das sie in ihrem Kopf aufnehmen kann. Doch was geschieht, wenn sie die Kontrolle über ihren Körper übernehmen? Makepeace wird deswegen schon als Hexe verfolgt. Aber wenn sie Bär nicht in sich hätte und all die anderen, würde sie niemals zurechtkommen in diesem brandgefähr­lichen, vom Bürgerkrieg zerrissenen England des 17. Jahrhunderts. Und im Kampf gegen eine sehr alte, sehr mächtige, sehr unheimliche Familie.

Manchmal, wenn jemand stirbt, sucht sein Geist woanders Unter­schlupf. Und manche Menschen haben genügend Platz in ihrem Innern, um ein schützendes  Versteck zu bieten.

Die zwölfjährige Makepeace hat gelernt, sich gegen verzweifelte Geister zur Wehr zu setzen, die sie nachts in Besitz nehmen wollten. Aber eines Tages, bei einem herz­zerreißenden Erlebnis, vergisst sie es, ihre inneren Schutzsoldaten rechtzeitig aufzustellen.

Und nun ist ein Geist in ihr. Ein wilder, animalischer und star­ker Geist, der vielleicht ihr  einziger Schutz ist vor der mächtigen Fami­lie ihrer väterlichen Vorfahren und deren dunklem Geheimnis.

Ihre Flucht vor ihnen führt sie hinaus in das vom Bürgerkrieg gebeutelte Land. Und Makepeace muss entscheiden, was schlimmer ist: der Tod oder besessen zu sein von den Geistern der Toten.

Ein grandioser historischer Fantasy-­Roman.

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Für einen Blick ins Buch klicke auf das Cover

Bibliographie

Verlag Freies Geistesleben
Übersetzt von Alexandra Ernst
Einzelband
ET 24.03.2020
Hardcover 22,00 €, eBook 18,99 €
476 Seiten
ISBN: 978-3-7725-2840-8
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