Cherie Dimaline: Die Traumdiebe
(Werbung – Rezensionsexemplar)
Das dystopische Setting und der mystische Touch der Träume und der Möglichkeit, diese zu stehlen, haben es geschafft, dass ‚Die Traumdiebe‘ der kanadischen Autorin Cherie Dimaline auf meiner Wunschliste gelandet ist. Die Auszeichnung mit zahlreichen Preisen hatten endgültig meine Neugier geweckt. Und dann das.. Die ersten 100 Seiten (von nur 300) kam ich nicht ins Buch. Doch Durchhalten hat sich allemal gelohnt! Spannend und fesselnd erzählt die Autorin von der Flucht durch Kanada, das mit dem Kanada wie wir es kennen, nichts mehr gemein hat.
Wir folgen als Leser Francis, Spitzname Frenchie, einem sechszehnjährigen Jungen, der seine ganze Familie verloren hat. Auf der Flucht vor den sogenannten Anwerbern stößt er schließlich auf eine Gruppe Menschen, die ihm eine neue Familie wird. Diese Gruppe von neun Leuten ist Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Unterschiedliche Charaktere, unterschiedliche Stämme, alt und jung, ein gleiches Feindbild: die Neuankömmlinge, die ihrem Land den Namen Kanada gegeben haben. Diese Neuankömmlinge brachten Krankheit und Tod, nahmen den Ureinwohnern ihre Identität und ihren Glauben, ihre Unschuld, ihr Lachen und ihr Leben. Als sich die Ureinwohner irgendwann doch wieder berappelt hatten, begann der Kampf ums Wasser. Und das frischeste Wasser gab es auf Stammesgebiet. So tobten nach und nach nicht nur Kriege an den Flüssen und Seen, sondern auch in den Städten der Welt. Als das Wetter auch noch in Dauerregen umschlug, Länder und Inseln im Meer versanken, waren die Ureinwohner Kanadas in alle Winde zerstreut, auf der Flucht vor dem kanadischen Ministerium der Träume. Denn das können nur noch die Ureinwohner: träumen.
Durch die unterschiedlichen Charaktere entsteht eine sehr heterogene und interessante Gruppe, vereint durch Angst, Einsamkeit und die Flucht. Zwei Erwachsenen und sieben Kinder zwischen sechs und 18 Jahre, jeder mit seiner eigenen traurigen Geschichte. Wie schwierig es ist, in solchen Zeiten Menschen zu finden, denen man vertrauen kann, zeigt sich im Laufe des Buches. Doch unsere Gruppe ist wie eine Familie. Auch wenn sie nicht blutsverwandt sind, würden sie trotzdem ihr Leben füreinander lassen. Sie helfen anderen, wo sie können, denn in der Wildnis sollte man niemanden seinem Schicksal überlassen. So lehrt dieses Buch Freundschaft, Loyalität und Hilfsbereitschaft genauso wie Verrat und Heimtücke. Denn viele möchten auf der Seite der Sieger stehen und liefern ihr eigenes Volk ans Messer. Es wird nie explizit erwähnt, wann die Geschichte spielt. Einzig der Hinweis, dass Frenchies Mutter 2027 geboren wurde und ihre Versichertenkarte 2049 ausgestellt wurde, gibt uns ein vages Zeitfenster vor, das nicht in allzu weiter Zukunft liegt. Vor allem das Szenario um die Wasserknappheit finde ich sehr realistisch. Bei unserer heutigen Ressourcenverschwendung und der weltenweiten Produktion von Konsumgütern auf Kosten der Natur könnte ich mir gut vorstellen, dass sich ein nächster Weltkrieg um Süßwasser drehen wird. Wie die Ureinwohner auf der ganzen Welt von Neuankömmlingen behandelt wurden ist nicht dystopisch, sondern das lehrt uns die Vergangenheit in den USA, Australien usw.
Ich bin vor allem deswegen schlecht ins Buch gestartet, da ich anfangs ziemlich verwirrt vom Status Quo war. Erst nach und nach wird erklärt, wie es zu der menschenverachtenden Lage gekommen ist. Ein Zeitsprung, den ich seitenlang nicht erkannt hatte, tat sein Übriges. Aber als ich dann langsam den Überblick gewonnen hatte, konnte ich die Geschichte in ihrer gesamten Härte und Brutalität genießen. Denn das ist sie: hart, brutal und menschenverachtend. Und gerade in solchen Zeiten fallen Menschen auf, die einander helfen, die gegen das System kämpfen und die sich mit den Gegebenheiten nicht abfinden möchten. Man sehnt sich nach Geborgenheit, Freundschaft und Liebe. Und genau das finden wir auch in einer Welt, die so grausam ist wie die der ‚Traumdiebe‘.
Klappentext
Kanada nach der Klimakatastrophe: Die Welt ist hart und unmenschlich geworden. Die Menschen haben die Fähigkeit zu träumen verloren. Nur die wenigen überlebenden Ureinwohner können es noch – und werden deswegen gnadenlos gejagt. Der 16-jährige Frenchie hat so seine ganze Familie verloren. Aber er hat eine neue gefunden: Träumer wie er, die gemeinsam durch die Wildnis des Nordens ziehen, immer auf der Flucht vor den Traumdieben. Ein paar Kinder und Jugendliche, einige Erwachsene und die wunderbare, rebellische Rose. Kann die Macht ihrer Geschichten und das Wissen ihrer Ahnen sie schützen?
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Für einen Blick ins Buch klicke auf das Cover
Bibliographie
Heyne fliegt
Übersetzt von Stefanie Frida Lemke
Einzelband, ein Sequel folgt
ET 09.03.2020
Hardcover 15,00 €, eBook 4,99 €
304 Seiten
ISBN: 978-3-453-27269-9