Rezensionen

Naomi Novik – Das kalte Reich des Silbers

Ich habe lange überlegt, ob ich ‚Das kalte Reich des Silbers‘ lesen sollte, da mich ‚Das dunkle Herz des Waldes‘ etwas zwiegespalten zurückgelassen hat (einerseits war es ziemlich gut, andererseits auch stellenweise langatmig und fad). Da jedoch der Klappentext so gut geklungen hat und ich nun wusste, was mich vom Schreibstil her erwartet, habe ich doch zu dieser Geschichte gegriffen, die lose auf dem Märchen vom Rumpelstilzchen basiert. Da es vielleicht mehreren LeserInnen so geht, ist es mir ein großer Wunsch, eine Rezension zu diesem Buch zu schreiben. Denn es ist sehr außergewöhnlich und lesenswert, auch wenn es seine Längen hat. Doch die Magie der Geschichte hat mich in ihren Bann gezogen und auch ein bißchen verzaubert.

Der Schreibstil ist wie erwartet sehr gewöhnungsbedürftig. Die ganze Geschichte besteht eigentlich hauptsächlich aus Erzählungen, Dialoge sind kaum vorhanden. Die Beschreibungen der einzelnen Handlungen und Gedanken sind sehr detailliert und ausschweifend, und schaffen so eine ganz eigene und ruhige Stimmung. Diese passt sowohl zum dauerhaften Winter, der im Buch vorherrscht, als auch zur ‚Stadn Zeit‘, wie wir in Bayern sagen, zur ‚Ruhigen Zeit‘  vor Weihnachten, in der ich das Buch gelesen habe. Es umfasst knapp 600 Seiten und zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, nicht voranzukommen. Und doch hat mich die Geschichte trotz einiger Längen überzeugt, was vor allem auch am Setting gelegen hat.

Es herrscht dauerhaft Winter in Lithvas, ein sehr am Russischem und Osteuropäischem orientiertes Land. Seien es die Wörter, die verwendet werden, die Folklore, die immer wieder Einzug in die Geschichte findet, die Namen oder die Bezeichnungen von Orten oder Namen der Personen. Dieses Setting hat für mich von Haus aus schon etwas Besonderes, ich finde Russland gleichzeitig faszinierend und fremd, sehr ursprünglich und magisch. Meine Liebe zu diesem Land habe ich vor ca. sieben bis acht 8 Jahren entdeckt, als ich einen Russischsprachkurs an meiner FH belegt hatte und so Land und Leute besser kennenlernen durfte. Neben diesen Grundlagen für die von der Autorin geschaffenen Welt finde ich auch noch den jüdischen Hintergrund Mirjems und ihrer Familie erwähnenswert. Ihre Bräuche und Sitten bekommen viel Raum und begründen auch ihren Beruf als Geldverleiher. Das gefiel mir außerordentlich und ist mir im Fantasybereich bisher kaum bis gar nicht untergekommen. Die Beschreibungen einer jüdischen Hochzeit haben mich mit so viel Freude erfüllt, dass ich traurig war, als die ganzen Feierlichkeiten vorbei waren.

Die Geschichte selbst wird aus sechs Perspektiven in der Ich-Form geschildert, wobei die Sichtweisen Mirjems, Wanjas und Irinas den größten Teil einnehmen. Die Wechsel zwischen den Perspektiven erfolgt ohne bestimmte Reihenfolge und sehr abrupt, oft wusste ich kurzzeitig nicht, wessen Sicht ich nun folge.
Die Adlige Irina ist sehr privilegiert aufgewachsen und doch sehr einsam. Nicht mit übermäßiger Schönheit, Schläue oder Ausstrahlung gesegnet, ist sie eine einzige Enttäuschung für ihren Vater, der alles hasst, was nutzlos ist. So wie Irina es in seinen Augen ist. Und doch erwählt sie ein einflussreicher Mann, der ein großes und feuriges Geheimnis in sich trägt.
Wanja leidet sehr unter ihrem gewalttätigen und immer betrunkenen Vater, hat keine Bindung zu ihren Brüdern und ergreift sofort die Chance, die ihr Mirjem bietet: eine Flucht aus ihrem Elternhaus, ein eigenes Einkommen, das sie vor ihrem Vater versteckt hält, um damit irgendwann forzugehen. Doch als ihr Bruder weißes Wild der Staryk jagt, ändert sich alles.
Mirjem ist die Tochter eines zu nachgiebigen Pfandleihers, übernimmt früh die Rolle ihres Vaters und führt das Geschäft wesentlich gewinnbringender. Sie verwandelt Silber so erfolgreich zu Gold, dass sie schließlich sogar die Aufmerksamkeit der Staryk auf sich zieht, die Gold über alle Maßen begehren. Das ‚alte Volk‘, wie man Staryk vielleicht übersetzen könnte, ist schuld an Eis und Schnee und die Bewohner Lithvas‘ sprechen voller Angst und Ehrfurcht von diesen magischen Wesen. Als der König der Staryk Mirjem mit in sein Reich nimmt, beginnt für sie  ein Leben voller Furcht um ihr Leben. Denn wenn sie nicht alles Silber in Gold verwandelt, muss sie sterben.

Auch wenn die drei Frauen auf den ersten Blick nichts gemeinsam haben, führt das Schicksal sie doch zusammen. Denn es ist an der Zeit das Eis mit Feuer zu bekämpfen. Doch was ist, wenn das Feuer gefährlicher ist als das Eis? 4 Sterne für diese Geschichte, die anders ist und Zeit braucht. Aber diese Zeit lohnt sich.

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