Samantha Shannon: Das Kloster des geheimen Baumes – Die Thronfolgerin
(Werbung – Rezensionsexemplar)
Nachdem ‚Der Orden des geheimen Baumes‘ von Samantha Shannon seit 2020 eines meiner Lieblingsbücher ist, war sofort klar, dass ich die Vorgeschichte, ‚Das Kloster des geheimen Baumes‘, übersetzt von Wolfgang Thon, unbedingt lesen MUSS.
Die erste Hälfte des Buches (es wurde im Deutschen erneut geteilt), das mit dem Untertitel ‚Die Thronfolgerin‘ erschienen ist, hat mich dann auch wieder direkt von der ersten Seite an gepackt. Und das, obwohl Shannon dieses Mal auf allzu weitschweifende Ausführungen zum Worldbuilding verzichtet, ohne dabei an Tiefe, Üppigkeit und Detailreichtum einzubüßen. Genau diese Ausschweifungen habe ich am ‚Orden‘ geliebt und mich so richtig in der Welt versinken lassen.
Wir folgen während der Geschichte mehreren Erzählperspektiven, die uns in alle Himmelsrichtungen der Welt führen. Ein Personenglossar am Ende half mir vor allem zu Beginn, auch wenn es wirklich umfangreich ist. Auf die einzelnen Perspektiven möchte ich auch gar nicht im Detail eingehen, nur so viel: Jede der Personen ist so unglaublich interessant. Vor allem Glorian im Westen, am Königinnenhof von Inys und Dumai im Osten haben es mir angetan. Tunuva im Süden, in der Priorei. Und Wulf im Norden, der so sympathisch ist. Diese vier tragen die Geschichte, aber auch die anderen, kürzer gehaltenen Sichtweisen bereichern die Handlung ungemein.
Jede der Figuren ist so einzigartig, vielschichtig, lebendig und leidenschaftlich, ich kann gar nicht genug von ihnen bekommen. Generationenübergreifend erzählt Shannon über Hingabe, über Fehlschläge, über den Glauben und über die Liebe zwischen Müttern und Töchter, über das Leben mit seinen Höhen und Tiefen. Dabei spielt Politik eine noch größere Rolle als in der ein halbes Jahrhundert später angesiedelten Geschichte, es ist noch komplexer und noch umfangreicher, mit mehr Schauplätzen und mehr Figuren. Dabei liebe ich auch die Casual Queerness, die eine Selbstverständlichkeit vermittelt, die ich mir für unsere reale Welt nur wünschen kann.
Shannon hat darüber hinaus einen derart tollen Erzählstil, der mich total einnimmt. Die 640 Seiten habe ich im Nu gelesen, denn die Erzählgeschwindigkeit ist richtig hoch und es passiert gefühlt auf jeder Seite etwas Wichtiges. Die Länge des Buchs ist für mich also überhaupt nicht spürbar gewesen. Was allerdings spürbar ist: Die Teilung einer Geschichte in zwei Bücher. Ich bin mit der Vorgehensweise, einen Roman zu schreiben, nicht vertraut, bin mir aber sicher, dass jede*r Autor*in sich Gedanken zum Aufbau seines*ihres Buches macht. Sei es etwa bei der Verteilung der Kapitel oder beim Verlauf des Spannungsbogens. Dass letzterer einfach nicht für ein halbes Buch funktioniert, ist deshalb fast klar. Und hier finde ich den Cut wesentlich schlimmer als bei ‚Der Orden des geheimen Baumes‘, da „Band 1“ dadurch für andere Leser*innen langatmig und ziellos wirken könnte. Sehr schade und der Geschichte überhaupt nicht gerecht werdend.
Ich erwarte mir nun von der zweiten Hälfte des Buchs, dass sich die einzelnen Handlungsstränge zu einem imposanten Ganzen verweben und sich die ganze Epik der Geschichte offenbart. Und ich hoffe, dass ich bis dahin den Aufbau der Story gedanklich behalten kann, um das Gefühl zu haben, wirklich nur einen epischen Roman zu lesen – und nicht zwei halbe.. Vielleicht ist deswegen auch mein Lesegefühl nicht ganz so intensiv wie bei ‚Priory of the Orange Tree‘. Denn selbst wenn ich diese Geschichte bisher sehr liebe, kommt sie für mich doch nicht ganz an den Vorgänger heran. Noch! Ich bin sehr gespannt, wie ich ‚A Day of Fallen Night‘ nach der zweiten Hälfte bewerten werde.
Übrigens: Falls sich manche fragen, welche Geschichte zuerst gelesen werden sollte.. Auch wenn das ‚Kloster‘ 500 Jahre vor dem ‚Orden‘ spielt, würde ich den ‚Orden‘ als erstes lesen. Einfach, damit man die Welt noch ein bisschen besser versteht: Die Historie, die Legenden, die Religionen, die Überzeugungen und Ansichten der verschiedenen Bewohner der Welt. Das kam mir hier ein bisschen zu kurz. Bisher. Shannon selbst sagt, dass beide als Einzelband gelesen werden können. Falls man nach einem Band keine Lust mehr auf die Reihe hätte. Kann ich mir nicht vorstellen. 5 Sterne für ‚Das Kloster des geheimen Baumes – Die Thronfolgerin‘.
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Zwei Frauen stehen am Scheideweg ihres Schicksals – und ahnen nicht, dass sich ihre Wege kreuzen werden. Das größte Problem von Glorian, der zukünftigen Herrscherin von Ynis, scheint es zu sein, sich für einen zukünftigen Prinzgemahl zu entscheiden. Gleichzeitig erfährt im fernen Seiiki am anderen Ende der Welt die junge Dumai, dass sie die Tochter des Kaisers ist, und muss sich völlig unvorbereitet den Intrigen des Hofes stellen. Doch all die Machenschaften der Sterblichen werden unwichtig, als auf dem Gipfel des Furchtberges drei Drachen ihre Schwingen ausbreiten, um Verderben über die Menschheit zu bringen …
Erschienen bei Penhaligon
Band 1 von 2 (im Original ein Einzelband)
Autor*in: Samantha Shannon
Übersetzt von Wolfgang Thon
ET: 12.07.2023
Seiten: 640
ISBN: 9783764532963
Eine Bestellmöglichkeit und eine Leseprobe gibt’s hier
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